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EU verkennt erneuerbarer Treibstoffe

Der EU-Vorschlag zu CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge wie LKW und Busse greift zu kurz. Denn bei der Überarbeitung der EU-Verordnung 2019/1242, die von grundlegender Bedeutung für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist, werden die Rollen von E-Fuels, Biogas und Bio-LNG nicht ausreichend anerkannt – Technologieoffenheit sieht anders aus.

Mit Biogas oder auch Bio-LNG im Tank können Lastwagen und andere Fahrzeuge mit CNG- und LNG-Antrieb heute schon nahezu CO2-neutral unterwegs sein. Quelle: Volvo Trucks

Nun haben auch noch die EU-Parlamentarier in Strassburg klar gemacht, dass sie ab 2035 keine Verbrenner mehr auf Europas Strassen sehen wollen. Sie stimmten den neuen CO2-Vorgaben mit 340 zu 279 Stimmen zu – 21 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Zwar müssen nun die EU-Mitgliedsstaaten diesem Beschluss noch zustimmen, dies gilt aber als Formsache.

Quelle: Tobias Block

Damit dürften ab 2035 in Europa definitiv nur noch neue Personenwagen verkauft werden, die keine Treibhausgase ausstossen. Damit sagt die EU endgültig adieu zu Benzin und Diesel. Neuwagen mit einem benzin- oder dieselgetriebenen Verbrennungsmotor – also übrigens auch Plug-in-Hybride – und wohl leider eben auch CNG-Fahrzeuge, die dank Biogas nahezu CO2-neutral unterwegs wären, dürfen somit nur noch rund zwölf Jahre lang verkauft werden. Zusammen mit dem sogenannten Verbrenner-Verbot segnete das EU-Parlament auch schärfere Neuregelungen bei den LKW- und Bus-Emissionen ab, die von der Branche entsprechend heftig kritisiert werden. Zumal weiterhin offen ist, ob später Ausnahmen für E-Fuel-betriebene Verbrenner kommen: Dies will die EU erst später noch entscheiden.

Das stösst beim deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA) genauso auf heftige Kritik wie bei der Clepa, dem europäischen Verband der Automobilzulieferer. VDA-Präsidentin Hildegard Müller erklärt: «Der Hochlauf der Elektromobilität zeigt sich mit immer neuen Fahrzeugangeboten. Das faktische Verbrenner-Verbot ab 2035 ist eine Entscheidung gegen eine technologieoffene und innovationsfreundliche Verbraucher- und Industriepolitik. Der Beschluss ignoriert den immer noch mehr als mangelhaften Auf- und Ausbau der europäischen Ladeinfrastruktur.»

Allzu oft werden biogene Reststoffe, nicht wie in diesem Beispiel genutzt und weiterverarbeitet, sondern verbrannt und damit ihr Potenzial u.a. zur Biogasherstellung schlicht verschwendet. Quelle: CNG-Mobility.ch

Selbst wenn der Verbrennungsmotor weltweit auch nach 2035 noch gebraucht wird und dank Treibstoffen wie Biogas, Bio-LNG oder E-Fuels durchaus auch nachhaltig betrieben werden kann, werden diese Alternativen bislang von der Mehrheit der EU-Politiker nicht als Teil der Lösung anerkannt. «Die unterschiedlichen Technologien werden in unterschiedlichen Regionen der Welt ihren Beitrag zu nachhaltiger Mobilität leisten. Essenziell sind in diesem Kontext synthetische Kraftstoffe, um auch den Bestand an Fahrzeugen zu dekarbonisieren», so Müller. Denn 280 Millionen Verbrenner allein in Europa und 1,5 Milliarden weltweit könnten mit nachhaltigen Treibstoffen in Zukunft klimaneutral unterwegs sein.

Martin Lundstedt, CEO der Volvo Group und Vorsitzender des Nutzfahrzeugausschusses vom Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA), rechnet vor, dass für die von der Politik geforderte CO2-Reduzierung bis 2030 mehr als 400’000 emissionsfreie LKW unterwegs sein müssten und jährlich mindestens 100’000 neue emissionsfreie LKW zugelassen werden müssten. «Während andere Weltregionen Anreize für den Weg zur emissionsfreien Mobilität schaffen, versucht Europa, den Weg dorthin zu regulieren – und selbst das geschieht nicht auf harmonisierte Weise», erklärt Lundstedt und erinnert daran, dass innerhalb von nur sieben Jahren auch über 50’000 öffentliche, für LKW geeignete Ladestationen in Betrieb sein müssten. Zusätzlich würden rund 700 Wasserstofftankstellen benötigt. Eine riesige Investition in neue und zusätzliche Infrastruktur also.

Hyundai - WasserstoffIn der Schweiz sind aktuell rund 50 Wasserstoff-LKW unterwegs, die derzeit an zwölf Tankstellen grünen Wasserstoff tanken können. Quelle: CNG-Mobility.ch

Dabei gibt es europaweit bereits heute ein existierendes Tankstellennetz, das für einen klimafreundlicheren Transport sofort genutzt werden kann. Gemäss dem Verband Gmobility stehen aktuell europaweit 4158 CNG-Stationen und 642 LNG-Tankstellen zur Verfügung, die nur mit nachhaltigem statt fossilem Gas beliefert werden müssten. Kein Wunder, dass auch der Europäischen Biogasverband (EBA) zwar die ehrgeizigen Ziele des EU-Vorschlags begrüsst, jedoch von einer verpassten Gelegenheit spricht, weil die EU-Politik den Beitrag von erneuerbaren Treibstoffen – einschliesslich Biogas – bei der Dekarbonisierung nicht anerkenne. «Die Verwendung von Biogas im Verkehr stellt eine nachhaltige, leicht verfügbare und skalierbare Alternative zu fossilen Treibstoffen dar und ist ein wichtiger Faktor beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft», erläutert EBA-Generalsekretärin Giulia Cancian.

«Um die Logistik zu dekarbonisieren, braucht die EU erschwingliche, klimaneutrale Lösungen», hält auch Clepa-Generalsekretär Benjamin Krieger fest. Zu den verschärften CO2-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge mit den ehrgeizigen Zwischenzielen für 2030 (45 Prozent CO2-Reduktion) und 2035 (65 Prozent) meint Krieger. «Wir begrüssen die Beibehaltung der Technologieoffenheit, aber die Erhöhung der Ziele für 2030 und 2035 sind eine grosse Herausforderung.» Wenn der Übergang zu einem emissionsfreien Schwerverkehr gelingen solle, müssten die entsprechenden Voraussetzungen wie Lade- und Betankungsinfrastrukturen geschaffen sowie erneuerbarer Strom, Wasserstoff und Treibstoffe zur Verfügung gestellt werden.

ScaniaNicht nur LKW, sondern auch Busse können mit Biogas und Bio-LNG nahezu CO2-neutral betrieben werden; doch auch hier planen die EU-Politiker Verschärfungen der Emissionsvorschriften. Quelle: Scania

Biogas und Bio-LNG könnten dabei konkret und unmittelbar zur Dekarbonisierung beitragen: Erstens erfordert der Einsatz von Biogas als Ersatz für fossile Kraftstoffe keine Investitionen in zusätzliche Ressourcen und Zeit für den Aufbau einer neuen Infrastruktur. Darüber hinaus zeigen jüngste Studien, dass Biogas und Bio-LNG äusserst leistungsfähigste Treibstoffe sind. Bei Anwendung einer «Well-to-Wheel»-Messmethode statt der bisherigen «Tail-Pipe»-Messung liegen sie mit Elektrofahrzeugen absolut auf Augenhöhe. Nur schon die Verwendung eines LNG-Mix mit einem vierzigprozentigen Bio-LNG-Anteil könnte die CO2-Emissionen von LKW bei einer «Well-to-Wheel»-Messung ausserdem um 55 Prozent senken. Bei der Verwendung von 100 Prozent Bio-LNG kann die Treibhausgasbilanz sogar negativ ausfallen. (pd/jas, 23. Februar 2023)

 

 

 

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