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«CNG gilt als eine zuverlässige Alternative»

Italien ist die Nummer 1 in Europa, was CNG betrifft. Licia Balboni, Präsidentin des italienischen Verbands für Händler und Transporteure von Erdgas Federmetano, spricht im Interview über das Erfolgsgeheimnis, den Ausbau von Tankstellen und das Potenzial von Biogas.


38’615 CNG-Fahrzeuge wurden 2019 im Bel Paese im letzten Jahr in Verkehr gesetzt. Quelle: Istock

Im letzten Jahr wurden in Europa knapp 70’000 CNG-Fahrzeuge in Verkehr gesetzt, davon 38’615 allein in Italien. Unser südlicher Nachbar ist und bleibt Europameister, wenn es um «Metano» im Tank geht. Dies überrascht nicht: Das Netz an CNG-Zapfsäulen ist optimal ausgebaut. Momentan gibt es 1375 Servicestationen, also im Schnitt eine Tankstelle pro acht Kilometer.

Italien blickt auf eine lange CNG-Tradition. Schon in den 1930er- und 1940er-Jahren wurden bei Personenwagen, Lastwagen, Autobussen und Zügen Gasmotoren eingesetzt, die im Vergleich zu anderen Verbrennungsmotoren bis zu 25 Prozent weniger CO2, bis zu 50 Prozent weniger Stickoxid (NOx) und praktisch keine Feinstaubpartikel (PM 2,5/10) ausstossen. Heute sind rund 2 Prozent aller in Italien zugelassenen Fahrzeuge mit CNG-Motoren unterwegs. Und dieser Anteil dürfte weiter steigen: Laut einem jüngst erlassenen Dekret der italienischen Regierung sollen bis 2033 insgesamt 3,7 Milliarden Euro in die Erneuerung und Modernisierung der Busse des lokalen öffentlichen Verkehrs fliessen. Licia Balboni, Präsidentin von Federmetano, erklärt, warum CNG in Italien so stark gefördert wird.

Frau Balboni, Italien ist und bleibt Europas Nummer 1, was die Zahl der zugelassenen PWs mit CNG-Antrieb betrifft. Wie kommt es, dass so viele Automobilisten auf diese umweltfreundliche Alternative setzen?
Licia Balboni, Präsdentin von Federmetano: Wie von Ihnen bereits erwähnt, verfügt Italien über eine lange Tradition in der Verwendung von CNG als Treibstoff für Motorfahrzeuge. Dank der umfassenden Erfahrung belegt unser Land in diesem Bereich eine Spitzenposition und gilt als Vorbild, an dem sich andere Staaten in Sachen nachhaltige Mobilität orientieren können. Aufgrund des langjährigen Know-how wird dieser Treibstoff von der Bevölkerung als effiziente Lösung wahrgenommen. CNG gilt als eine zuverlässige Alternative. Hinzu kommen die Beschaffenheit von CNG und seine unterschiedlichen Ausprägungen wie Biogas, LNG oder Bio-LNG, die sich nach vier Schlüsselbegriffen gruppieren lassen: Umweltfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Nutzbarkeit und Sicherheit.

«Erdgas ist ein sicherer Energieträger»

Das heisst für Sie?
Aus Sicht der Umweltfreundlichkeit ist die Verwendung von Erdgas als Treibstoff zweifelsohne der richtige und kürzeste Weg zu einer nachhaltigen Mobilität. Die Vorzüge von CNG gegenüber anderen Treibstoffen tragen nicht nur zur Reduktion der lokalen Schadstoffe (PM10, PM2,5, NOx und SOx) bei, sondern auch wesentlich zur Senkung des klimaschädlichen CO2-Ausstosses. Beim Einsatz von Biogas ist er gleich null. Ein weiterer Aspekt, der Erdgas für den Konsumenten attraktiv macht, ist seine Wirtschaftlichkeit. Heute gibt es leistungsfähige Autos, die auf 100 km für 3.50 Euro Treibstoff verbrauchen. Vergessen wir nicht, dass der Energiegehalt von 1 kg Erdgas etwa 1,5 Liter Benzin beziehungsweise 1,33 Liter Diesel oder 2 Liter LPG entspricht. Neben der Möglichkeit, Autos mit anderen Motoren mithilfe eines Aftermarket-Kits in CNG-Fahrzeuge umzurüsten, ist ein weiterer Vorteil der im Vergleich zu anderen umweltschonenden Antrieben geringere Kaufpreis von CNG-Fahrzeugen. Dem Konsumenten steht damit ein umweltfreundliches Fahrzeug zu tragbaren Kosten zur Verfügung. Diese Faktoren sind nicht zu unterschätzen, wenn man bedenkt, dass die grüne Mobilität nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich und sozial tragfähig gestaltet werden muss, um auf breiter Basis umsetzbar zu sein.

Das dichte Netzwerk an Tankstellen hilft aber sicher auch…
Ein flächendeckendes Netz an CNG- beziehungsweise Biogas-Tankstellen ist Voraussetzung für die zuverlässige Verfügbarkeit dieses vielversprechenden Treibstoffs. In Italien gibt es 1375 Servicestationen, die Erdgas anbieten, davon – Stand 2020 – 51 an den Autobahnen, was landesweit, ohne Sardinien, einem Schnitt von einer CNG-Tankstelle pro acht Kilometer entspricht. Und die Zahl steigt kontinuierlich. Dieser Trend ist in den letzten zehn Jahren von Jahr zu Jahr um 5 % gewachsen. Aktuell erlaubt dieses Netz, rund 2 % des italienischen Fahrzeugparks zu betanken, was über einer Million Erdgasfahrzeugen entspricht. Ausserdem wird es in Kürze möglich sein, Erdgas auch in Selbstbedienung zu tanken. Diese Neuigkeit wird den Kunden die Entscheidung für Erdgas zusätzlich erleichtern. Und Punkto Sicherheit: Erdgas ist ein sicherer Energieträger. Das Molekül ist leichter als Luft und verflüchtigt sich im Fall eines Austritts schnell in die Atmosphäre, sodass keine Konzentrationen entstehen, die zu Verpuffungen oder Explosionen führen können. Der Tank der Erdgasfahrzeuge genügt den strengen Sicherheits- und Crash-Test-Anforderungen der Hersteller. Zudem werden diese in Bezug auf die CNG-IV-Verbundzylinder direkt von den Inspektoren der Zulassungsstelle geprüft. Werden Stahltanks verwendet, werden sie nach der europäischen Fahrzeugnorm ECE-R110 einer hydraulischen Druckprüfung unterzogen.

 «Aufgrund des langjährigen Know-how wird CNG von der Bevölkerung als effiziente Lösung wahrgenommen.»

Wo sehen Sie noch Potenzial für eine weitere Entwicklung der CNG-Mobilität in Italien?
CNG ist ein idealer Energieträger. Federmetano setzt sich als Verband dafür ein, das Bewusstsein der Konsumenten für die Vorteile der Nutzung von Erdgas zu stärken, damit sie darin auch weiterhin die beste Alternative sehen. Das Potenzial von CNG wird heute zweifellos auch durch eine zunehmende Verbreitung von Biogas, das heisst einem vollständig erneuerbaren Treibstoff mit kurzem Transportweg, gestärkt.

Gibt es auch Herausforderungen?
Natürlich gibt es verbesserungsfähige Punkte, an denen noch gearbeitet werden muss, um das bisher Erreichte nicht zu gefährden. So beispielsweise die regelmässige Überprüfung der CNG-IV-Druckbehälter, die heute in Italien in viel kürzeren zeitlichen Abständen als im übrigen Europa stattfinden muss. Federmetano ist kontinuierlich darum bemüht, neben der Sicherheit des Benutzers auch eine vereinfachte Prüfung des Gasflaschenzustands zu gewährleisten. Die wartungsbedingten Kosten und Standzeiten stellen derzeit ein Hindernis für eine breitere Einführung von Erdgasfahrzeugen dar. Wenn von nachhaltiger Mobilität die Rede ist, dürfen Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen nicht unerwähnt bleiben. Zumal dieser Sektor während der durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Gesundheitskrise stark an Bedeutung gewonnen hat und Szenarien auf ein exponentielles Wachstum des E-Commerce hindeuten.

Balboni - Federmentano

 

Wie sieht es im Güterverkehr punkto LNG aus?
Die Nutzung von LNG hat im Güterverkehr eine Wende eingeleitet und dafür gesorgt, dass dieser für Logistikunternehmen und Auftraggeber umweltfreundlicher wird. Das dichte CNG-Netz wird gerne als Aushängeschild für Italien präsentiert, doch steht das LNG-Netz diesem mittlerweile in nichts nach. Die Eröffnung neuer Anlagen schreitet zügig voran: Die erste wurde 2014 eingeweiht – heute sind 71 Stationen in Betrieb. Sie versorgen die über 2250 in Italien zugelassenen Lkws und damit über ein Drittel der insgesamt in Europa zugelassenen Motorfahrzeuge mit LNG-Antrieb. Weitere 39 Tankstellen sind – Stand Mai 2020 – in Planung. Die Herausforderungen, die sich dem Schwerverkehr stellen, sind sehr komplex. Zahlreiche Faktoren – nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und soziale – müssen berücksichtigt werden. Zum Wohl der Gemeinschaft dürfen die Anstrengungen zu mehr Nachhaltigkeit dabei nicht nachlassen. LNG gilt heute als perfekte Lösung für einen sauberen Transport und bietet in Bio-Qualität die einzige Alternative zu fossilen Brennstoffen.

Das Netz an Tankstellen ist flächendeckender als in jedem anderen Teil Europas. Dennoch wird an einem weiteren Ausbau gearbeitet.
Wie bereits gesagt, ist das CNG-Netz in den letzten zehn Jahren stark gewachsen. Federmetano will das Netz aber nicht einfach nur ausweiten. Ziel ist vielmehr, ein homogenes Wachstum im ganzen Staatsgebiet zu erreichen. So kann auch der Bestand an Erdgasfahrzeugen erhöht werden, um die Effizienz der neu errichteten Servicestationen und die Rentabilität der Investitionen von Privatunternehmen zu gewährleisten. Aufgabe unseres Verbands ist es, den Einsatz von Erdgas als Treibstoff zu fördern. Konsumenten, die die ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile von CNG und Biogas kennen, sind sich auch bewusst, wie stark sich ihr Handeln auf die Verbesserung der Lebensqualität auswirkt. Wir wollen einfache und effiziente Instrumente zur Verfügung stellen, die motivieren und dazu bewegen, diesbezüglich unbefangene Entscheidungen zu treffen.

Wie soll das funktionieren?
Federmetano will vor allem informieren und aufklären. Dies ist auch das Ziel des Projekts «Biometano, dalla terra per la terra», auf Deutsch «Biomethan, von der Erde für die Erde». Damit wollen wir die Verwendung von Biogas fördern. Das Projekt richtet sich vor allem an Schulen sowie an Unternehmen, für die das Erreichen der von der EU für 2030 und 2050 formulierten Mobilitätsziele strategisch wichtig sind.

Mit dem Projekt «Biomethan, von der Erde für die Erde» will Federmetano die Verwendung von Biogas fördern. Quelle: Federmetano

Beim Fahren mit Biogas entstehen praktisch keine CO2-Emissionen. Wie hoch ist der Anteil von Biogas an den italienischen Tankstellen? Und: Besteht die Absicht, diesen Anteil zu erhöhen?
Die beiden Optionen CNG und Biogas schliessen sich gegenseitig nicht aus. Biogas ist die Bio-Ausführung von CNG mit fossilem Ursprung. «Biometano», ein erneuerbarer Treibstoff aus 100 % italienischer Produktion, ist das einzige Antriebskonzept, das über den gesamten Lebenszyklus eine negative CO2-Bilanz aufweist. Unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette, Well-to-Wheel, bietet Biogas – egal, ob komprimiert oder verflüssigt – insgesamt ein Reduktionspotenzial für CO2-Emissionen von 80 bis 180 % im Vergleich zu konventionellen Treibstoffen. Dies, sofern erneuerbares Gas aus Bioabfall oder Gülle verwendet wird, da bei diesem Verfahren Methan, das sonst in die Atmosphäre freigesetzt würde, zurückgewonnen und genutzt wird. Heute bestätigen die Zahlen zur Verwendung von Biogas die Erwartungen jener, die sich wie Federmetano für dessen Nutzbarkeit engagierten.

«LNG gilt heute als perfekte Lösung für einen sauberen Transport und bietet in Bio-Qualität die einzige Alternative zu fossilen Brennstoffen»

Können Sie das weiter ausführen?
Gut zwei Jahre nach der Genehmigung der interministeriellen Verordnung zu Biogas vom 2. März 2018 erreichte das von der Energieagentur GSE – einer der Hauptakteure in der Förderung und Entwicklung erneuerbarer Energiequellen in Italien – geförderte und für den Transportsektor bestimmte Biogas ein Volumen von 44,7 Mio. Standardkubikmeter Sm3 im 2019 beziehungsweise rund 15,1 Mio. Sm3 im ersten Quartal 2020. Angesichts des hohen Volumens an GSE-gefördertem Biogas im ersten Quartal dürfte die Gesamtförderung dieses Jahr die Schwelle von 50 Mio. m3 Biogas erreichen oder gar überschreiten, was rund 5 % des aktuellen Methanverbrauchs als Treibstoff entspricht. Auf der Produktionsseite sind laut dem Fernleitungsnetzbetreiber Snam 23 Anlagen an das Transport-/Verteilnetz angeschlossen. Zudem wurden weitere 63 Anschlussverträge abgeschlossen, mit denen eine Transportkapazität von 503 Mio. Sm3/Jahr geschaffen würde. Snam geht davon aus, dass bis 2022 eine vertraglich gesicherte Kapazität von gut 650 bis 750 Mio. Sm3/Jahr erreicht werden kann.

Das sind tolle Aussichten.
Ja, vor allem wird das Produktionspotenzial für Biogas in Italien für 2030 auf rund 8 Mrd. m3/Jahr geschätzt. Dieses für den Strassentransport bestimmte Volumen reicht aus, um im Jahr 2030 15 % des gesamten Fahrzeugbestands in Italien mit 100 % erneuerbarer Energie zu versorgen. Eine eigentliche Revolution, die es ermöglicht, unsere energiewirtschaftliche Abhängigkeit dank einem nachhaltigen Kreislauf, der Abfall in neue Energie umwandelt, auf null zu reduzieren. (2. Juli 2020, cst./Quelle Foto Licia Balboni: Federmetano)

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