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Dekarbonisierung, aber zu welchem Preis?

Versorgungssicherheit mit nachhaltigen Energieträgern, das ist durchaus möglich. Es hat aber seinen Preis. Welchen? In Deutschland wurde dazu von führenden Unternehmen extra eine Studie in Auftrag gegeben, um ein künftiges Energiesystem zu skizzieren und um zu erfahren, welche Dekarbonisierungsvariante wie teuer wird. Auch in der Schweiz gibt’s Szenarien dazu.

BiogasanlageBiogasanlage in Deutschland, die regional und preiswert in der Lage ist Energie zu liefern. Quelle: iStock

Dass die CO2-Emissionen runter müssen, ist unbestritten. Doch mit welchen Mitteln, Technologien und vor allem zu welchen Kosten, ist noch absolut offen. Ein Wandel nicht nur in einzelnen Sektoren, sondern des ganzen Energiesystems ist von Nöten. Denn selbst wenn die Dekarbonisierung, wie im Verkehrssektor über Elektromobilität oder auch den Einsatz von nachhaltigen Treibstoffen wie Biogas, Bio-LNG und E-Fuels erfolgt, reicht das allein nicht aus, es braucht eine ganzheitliche Senkung der Emissionen genauso wie eine ganzheitliche Betrachtung des Energiesystems.

Um die künftigen, je Segment und Region stark unterschiedlichen Versorgungsaufgaben kostenoptimal und ohne fossile Energiequellen zu erfüllen, muss dabei eine Vielfalt an Technologien und Energieträgern eingesetzt werden. Ein neues Energiesystem muss zudem viel effizienter als das heutige, viel weniger importabhängig und aufgrund der hohen Diversifikation auch stabiler gegenüber Veränderungen der technischen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen aufgestellt sein.

Von welcher Energiequelle will man in Zukunft wie viel einsetzen, um möglichst wenig CO2-Emissionen zu verursachen, aber auch die Kosten für die Bevölkerung im Rahmen zu halten. Quelle: BP

Doch wie sieht dieses Energiesystem der Zukunft aus? Um diese Fragen ergebnisoffen zu beantworten, haben führende Unternehmen der deutschen Energiewirtschaft beziehungsweise der Automobilindustrie entschieden, mit dem Beratungsunternehmen Wecom eine Studie auf Basis eines neuartigen, sektorübergreifenden Ansatzes durchzuführen. Das nun vorliegende Resultat liefert erstmalig, in feiner regionaler Auflösung, Ergebnisse zu einem vollständig wirtschaftlich optimierten Energiesystem für Deutschland. Die Ermittlung des kostengünstigsten, zu 100 Prozent erneuerbaren, machbaren und versorgungssicheren Energiesystems erfolgte dabei vollständig durch mathematische Optimierung ohne Ergebnisvorgaben durch die teilnehmenden Unternehmen.

Wie sieht das Energiesystem der der Zukunft wohl aus? Quelle: Shell

Für über 150 Technologien entlang der gesamten Energiewertschöpfungskette wurde berechnet, welche Kapazität je Region optimal ist – ohne Prognosen über ihren Einsatz oder Nicht-Einsatz zu benötigen. Die Ergebnisse erlauben nun einen rationalen, faktenbasierten Vergleich. Die optimierten Szenarien unterschieden sich teilweise stark bezüglich der volkswirtschaftlichen Kosten oder auch im Hinblick auf die konkreten Kapazitätsbedürfnisse. Die grundsätzliche Struktur des Energiesystems für Deutschland ist jedoch für viele Stufen der Energie-Wertschöpfungskette in allen Szenarien ähnlich und bietet insofern einen stabilen Orientierungspunkt für die Umsetzungsschritte in den nächsten Jahren.

Spannend dabei: Die Flexibilisierung des Stromsystems erfolgt neben Druckluftspeichern und Second-Life-Batterien ganz wesentlich über das Gasnetz. Rund 30 bis 40 Prozent des Primärstroms werden in Elektrolysen eingesetzt. Gaskraftwerke, die auf Gasspeicher zurückgreifen, werden ausgebaut und sie werden H2-fähig. Neben einheimischem Wasserstoff wird auch Biogas – da sind sich die Experten sicher – in bedeutendem Umfang in Deutschland produziert werden, um ein kostengünstiges Energiesystem zu erreichen.

Im Personenverkehr sollte gemäss der Studie nicht nur die Elektromobilität, sondern auch Autos wie der Seat Leon mit CNG-Antrieb und Biogas im Tank im Fokus stehen. Quelle: CNG-Mobility.ch

Im Personenverkehr sind Batterie- und Verbrennerfahrzeuge – insbesondere solche, die mit CNG-Antrieb und Biogas oder erneuerbarem Methan im Tank betrieben werden – wirtschaftlich und auch bezüglich Emissionen auf Augenhöhe. Ein Technologiemix ist daher möglich. Im Güterverkehr sind zusätzlich auch Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb wettbewerbsfähig. Bei einem technologieoffenen Szenario sollten daher gemäss der Studie bei den Personenwagen 34 Prozent batterieelektrisch angetrieben werden. 55 Prozent der Autos sollten mit komprimiertem, erneuerbarem Methan fahren. Bei den Nutzfahrzeugen sieht der volkswirtschaftlich optimale Energiemix lediglich neun Prozent für Elektro-Trucks vor. 82 Prozent der Lastwagen sollten dagegen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen, Biogas, Bio-LNG oder erneuerbarem Methan angetrieben werden.

Auch im Güter- und Schwerlastverkehr fordert die Studie für eine kostenminimale Dekarbonisierung einen technologieoffenen Ansatz. Quelle: CNG-Mobility.ch

Die technologieoffene Optimierung weicht damit stark von aktuellen Trends ab, bietet aber enorme volkswirtschaftliche Einsparpotenziale. Denn durch das Zulassen von Verbrennungsmotoren, die mit nachhaltigen Treibstoffen betrieben werden, könnten nämlich jährlich bis zu 11 Milliarden Euro an Gesamtkosten vermieden werden! (pd/jas, 27. Oktober 2022)

Die ganze Studie mit allen Details eines nachhaltigen Energiesystems zu minimalen Kosten


Schweizer Energiesystem: PSI kennt die Details dank sechs Millionen Gleichungen

Auch in der Schweiz wird seit Jahren an einem idealen und möglichst kostengünstigen Energiesystem geforscht. Evangelos Panos hat mit Kannan Ramachan und einem Team von Forschenden am PSI das STEM-Energiesystemmodell entworfen. Es besteht aus sechs Millionen Gleichungen mit sechs Millionen Variablen, die unterschiedlichste Aspekte des Schweizer Energiesystems beschreiben. Verändert man eine Variable, etwa den Preis für die Emission einer Tonne CO2 oder den Ausbau der Photovoltaik, ändern sich Dutzende weitere Variablen, manchmal auf unvorhergesehene Weise. Die PSI-Forscher haben drei Szenarien für ein Schweizer Energiesystem für 2030 und 2050 errechnet: ein Basisszenario (CLI), ein Netto-Null-Szenario mit Vermeidung von Energieimporten (SECUR) und eines mit verzögertem Ausbau der erneuerbaren Energie (ANTI). Alle Details dazu gibt’s hier.

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