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SSM-Tagung 2021
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Technologieoffenheit für weniger CO2

Nicht die für die Bekämpfung des Klimawandels nötigen Elektro-, Wasserstoff- oder CNG-Fahrzeuge, sondern vielmehr die Infrastruktur und der einseitige Fokus der Politik bereiten den über 80 Experten an der Tagung des Studienforums Schweiz für mobile Antriebstechnik das meiste Kopfzerbrechen. Wie das CO2-Problem zu lösen wäre, legen sie in Sursee LU dar. Klar dabei: Es braucht dazu Technologieoffenheit.

SSM-Tagung 2021Christian Schaffner vom Energy Science Center der ETH Zürich erläutert die Herausforderungen bei der Energieversorgung. Quelle: CNG-Mobility.ch

Meinrad Signer, Präsident des Studienforum Schweiz für mobile Antriebstechnik (SSM), macht zu Beginn der Tagung deutlich, dass es unbedingt eine Gesamtbetrachtung für eine Lösung im Energiebereich und für die CO2-Reduktion brauche. «Eine Systembetrachtung ist entscheidend und die fehlt mir noch. Zudem sollte sich die Politik nicht mit Technologien befassen, sondern mit den Rahmenbedingungen.» Signer gibt ebenfalls zu bedenken, dass man beim Verbrennungsmotor eine unglaubliche Effizienzsteigerung und CO2-Reduktion erreicht habe und ihn nun einfach ins Museum stelle.

Dass die Schweiz fürs Erreichen von Netto-Null nicht nur eine Reduktion der CO2-Emissionen benötigt, sondern negative Emissionen anstreben müsse, zeigt Christian Schaffner vom Energy Science Center der ETH Zürich anschaulich auf. Die Herausforderungen werden dabei noch weiter steigen, da man in den letzten Jahren vor allem die tiefhängenden Früchte geerntet habe und der geplante Absenkungspfad in den nächsten Jahren steiler werde. «Die Technologien sind – mit Ausnahmen – vorhanden. Wir können es uns aber nicht leisten, auf neue Technologien zu warten. Bis eine Technologie mit der ganzen Vorkette am Markt ist, dauert es zu lange», erklärt der Energie-Experte. Für ihn sind die ganzen Energieverteilsysteme zudem noch viel zu statisch. Eine dynamischere Betrachtung genauso wie ein dynamischeres Energiesystem selbst sei aufgrund des vermehrten Austausches mit dem Ausland, aber auch der Zunahme der Teilnehmer (Häuser mit Photovoltaikanlagen, E-Fahrzeuge mit Smart-Grid-Lademöglichkeiten, etc.) für die Zukunft unabdingbar. «Die Flexibilität muss genauso zunehmen wie die Kommunikation zwischen den einzelnen Energiesystemen», so Schaffner.

SSM-Tagung 2021Dass sich die Schweiz besser früher als später um den Import von nachhaltigen Energieträgern bemühe, erklärte Urs Cabalzar, Senior Project Manager bei H2 Energy. Quelle: CNG-Mobility.ch

Urs Cabalzar, Senior Project Manager bei H2 Energy, erklärt: «Wir benötigen möglichst früh neue CO2-arme Energieträger – auch aus dem Ausland. Denn auch unsere Nachbarn werden genau zum gleichen Zeitpunkt einen grossen Bedarf nach erneuerbaren Energien haben.» Daher werden für Cabalzar strombasierte Treibstoffe immer wichtiger. Etwa die auf Island von der Nordur Power SNG AG hergestellten synthetischen Gase (SNG). Dies legt er in der Machbarkeitsstudie IMPEGA – kurz für «IMPort of Electricity-based Gas» dar. In seiner Studie zum Import von mit nachhaltigem Strom hergestelltem Gas inklusive der dafür nötigen Logistik aus Island kommt Cabalzar zum Schluss, dass eine 80-prozentige CO2-Reduktion gegenüber Heizöl möglich ist. Somit ist für ihn ein ökologischer Mehrwert gegeben. «Wir müssen sicher auch das Potenzial an Biogas und Biomasse in der Schweiz nutzen, aber das wird noch nicht ausreichen», erläutert er. «Wichtig ist, dass wir künftig CO2 nicht mehr nur als Abfall betrachten, sondern auch als Ressource, beispielsweise für die Herstellung von synthetischen Treibstoffen.»

Patrick Dümmler vom Thinktank Avenir Suisse zeigt unter anderem auf, dass nicht der CO2-Ausstoss beim Kauf eines Fahrzeugs, sondern vielmehr dessen Kilometerleistung entscheidend ist. Quelle: CNG-Mobility.ch

Damit macht er genauso wie die anderen Referenten und Experten an der der Tagung des seit 1929 bestehenden Studienforums Schweiz für mobile Antriebstechnik klar, dass die E-Mobilität allein unsere CO2-Probleme nicht lösen wird, sondern ein technologieneutraler Ansatz von Nöten ist. «Nur weil’s elektro ist, bedeutet es noch lange nicht, dass es nachhaltig ist», erklärt auch Patrick Dümmler vom Thinktank Avenir Suisse. «Hier ist eine Differenzierung nötig. Und es gilt sich schon zu fragen, ob es sinnvoll ist, Milliarden in eine neue Infrastruktur zu investieren, statt sich auf etwas zu fokussieren, das eine bestehende Infrastruktur nutzen könnte.»

Denn nachhaltig hergestellte und über die bisherige Infrastruktur verteilte Treibstoffe bieten ein grosses Potenzial zur CO2-Reduktion. «Nicht der Verbrennungsmotor, sondern das, was verbrannt wird, ist das Problem», gibt Bouzid Seba von Liebherr Machines S.A. zu bedenken. Der Liebherr-Konzern stellt im freiburgischen Bulle Diesel- und Gasmotoren, Verteilergetriebe sowie Hydraulikpumpen und -motoren für die unterschiedlichsten Sparten und Anforderungen her. Der Ingenieur arbeitet mit seinem Team aktuell an einem Wasserstoff-Antrieb, der 2025 in die Serienproduktion gehen soll. Seba ergänzt: «Auch in Zukunft wird es mehrere Technologien geben, um die CO2-Neutralität zu erreichen, dabei ist die Auswahl der richtigen Technologie je nach Anwendungszweck entscheidend.»

SSM-Tagung 2021Christian Schaffner (Energy Science Center der ETH Zürich), Patrick Dümmler (Avenir Suisse), Fabian Bilger (Avenergy Suisse), Urs Cabalzar (H2 Energy AG) und Christian Bach von der Empa während der Diskussionsrunde an der Tagung des Studienforums Schweiz für mobile Antriebstechnik 2021. Quelle: CNG-Mobility.ch

Deshalb sind Verbrennungsmotoren – genau wie ein CNG-Antrieb oder ein LNG-Antrieb – nichts fürs Museum, sondern für den Einsatz unter anderem auf der Strasse. Mit nachhaltigen Energieträgern wie Biogas, verflüssigtem Biogas (Bio-LNG/LBG) oder eben mit nachhaltigem Strom hergestelltem, synthetischen Gas (SNG) bestehen sofort verfügbare Möglichkeiten, um CO2-Emissionen nachhaltig zu senken. (jas, 7. Dezember 2021)

Hier gehts zu den Folien der Referenten:
Die Schweiz und das Netto-Null-CO2-Ziel: Die Rolle der Energieversorgung
Christian Schaffner, Executive Director Energy Science Center ETH Zürich

Energie für die Strasse – heute und morgen
Fabian Bilger, Stellvertretender Geschäftsführer Avenergy Suisse, Zürich

Import strombasierter Energieträger – Pilotprojekt mit Island
Urs Cabalzar, Senior Project Manager H2 Energy AG, Zürich

Klima und Mobilität – Überlegungen zur volkswirtschaftlichen Effizienz
Patrick Dümmler, Avenir Suisse, Senior Fellow und Forschungsleiter Offene Schweiz, Zürich

H2-Verbrennungsmotor für mobile Anwendungen
Bouzid Seba, Liebherr Machines S.A., Bulle

E-Fuels – kommen diese jetzt in die Gänge?
Tobias Block, Head of strategy and content, eFuel Alliance e.V., Berlin/Brüssel

 

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