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Ein Käser und Energieunternehmer

Käsermeister Martin Götschi kann pro Jahr bis zu 100’000 Liter Heizöl sparen. Möglich macht es eine Biogasanlage. Doch um das Biogas von seinem Schweinemastbetrieb bis zu seiner Käserei im Emmental zu bringen, waren viel Eigeninitiative und Willen nötig. Doch nun funktioniert sein komplexes Energiesystem.

Äusserlich unscheinbar, aber nicht zu unterschätzen: die Käserei Götschi an der Dorfstrasse in Trubschachen BE, die dank Biogas und einem komplexen Energiesystem jährlich Tausende Liter Heizöl und auch tonnenweise CO2 einspart. Quelle: CNG-Mobility.ch

Die meisten fahren wohl von Langnau im Emmental Richtung Luzern einfach an der Käserei Götschi an der Dorfstrasse in Trubschachen BE vorbei. Schade, denn ein Halt würde sich lohnen! Zum einen bietet sie hervorragende Käse- und Milchprodukte an, zum anderen wird sie auf höchst effiziente und hoch komplexe Art mit Energie versorgt. Biogas vom nahen Schweinemastbetrieb hilft dem innovativen Käsermeister Martin Götschi, pro Jahr bis zu 100’000 Liter Heizöl und auch massiv CO2-Emissionen einzusparen.

Wie kommt man eigentlich auf eine solche Idee? Götschi lacht, «in gewissem Sinn bin ich da reingeschlittert.» Bereits sein Vater hatte neben dem Stall vor bald 40 Jahren eine erste Biogasanlage installiert, um den Stall für die Zucht- und Mastschweine zu heizen. «2010 haben wir den Gärtank auf 1000 Kubikmeter erweitert, damit wir auch das Wohnhaus mit Biogas heizen konnten», erklärt Martin Götschi. Mit der Gülle der rund 90 Muttertiere und fast 500 Mastschweinen sowie biogenen Reststoffen konnte man jedoch noch mehr Biogas und somit nachhaltige Energie produzieren – beispielsweise für die Herstellung von Käse, Butter und anderen Milchprodukten. Nur: Der Bauernbetrieb der Familie Götschi liegt rund ein Kilometer von der direkt an der Hauptstrasse gelegenen Käserei entfernt.

Das technische Aufbauschema des komplexen, nachhaltigen Energiesystems. Quelle: Käserei Götschi/Christoph Tonini

«Dafür war eine 850 Meter Gasleitung nötig und die ganze Planung sowie Umsetzung nahm insgesamt acht Jahre in Anspruch», erläutert der Käsermeister. Und wäre der Berner nicht so innovativ und beharrlich, würde seine Biogasanlage wohl immer noch kein Gas für die Wärme-Kraft-Koppelung in der Käserei liefern. Denn egal, welche Herausforderungen auf Götschi warteten, er fand eine Lösung. «Wegen der Leitung galt ich aus behördlicher Sicht plötzlich als Gaswerkbetreiber und musste auch die entsprechenden Auflagen analog zu grossen Unternehmen erfüllen», erläutert er. «So musste ich etwa einen 24h-Pikettdienst gewährleisten.» Nach Rücksprache mit der Feuerwehr konnte zumindest dafür eine pragmatische Lösung gefunden werden.

Mit seinen Ideen betrat der Trubschacher oft Neuland, kantonale Behörden und Gemeinde konnten sich nicht einfach auf bestehende Vorgaben stützen. Beim Verlegen der Energieleitung vom Bauernbetrieb im Krümpelgraben bis zur Käserei profitierte Götschi immerhin davon, dass die Strasse sowieso saniert werden musste. Er liess die Biogasleitung gleich mitverlegen und musste nicht die gesamten Kosten der aufwendigen Grabungsarbeiten übernehmen, um das Biogas zum ziemlich lauten, orange-gelben Ungetüm im Untergeschoss der Käserei zu leiten. Dieses surrt übrigens absichtlich im Keller und ist akustisch gut abgeschirmt, damit die Nachbarn nicht durch Vibrationen und Lärm belästigt werden.

Käsermeister Martin Götschi vor dem Herz des gesamten Systems: einer  Wärme-Kraft-Kopplungsanlage, die elektrisch 500 kW und thermisch 540 kW liefern kann und mit Biogas befeuert wird. Quelle: CNG-Mobility.ch

Das Blockheizkraftwerk liefert Wärme für die Gebäudeheizung und die Aufbereitung von Warmwasser. Damit jedoch nicht genug einen Stock höher steht ein Abgaswärmetauscher. Denn die Wärme aus den heissen Abgasen weiss der clevere Käser ebenfalls zu nutzen und durch den integrierten Dampferzeuger für die Pasteurisation oder auch die Reinigung einzusetzen. «Nach Durchströmen des vierten Kesselzugs kann das Abgas nochmals in einem Abgaswärmetauscher genutzt werden», verrät Martin Götschi. «So wird diese Energie ebenfalls an den Energiespeicher abgegeben. Und der Dampf ist eine sehr effiziente Form, grosse Mengen an Prozesswärme schnell zur Verfügung zu haben», sagt er, während er auf das für einen Laien wie ein wildes Ventil- und Leitungs-Wirrwarr zeigt, das ab dem Dampferzeuger für die zuverlässige Temperaturregelungen der unterschiedlichen Verbraucher sorgt. Das 500-kW-Blockheizkraftwerk ist übrigens auch mit einem Netzanschluss versehen und kann somit vor Ort nicht genutzte elektrische Leistung ins öffentliche Netz einspeisen.

Im Dampferzeuger ist auch in Abgaswärmetauscher integriert und holt zusätzlich Wärme aus den heissen Abgasen heraus. Quelle: CNG-Mobility.ch

Aktuell werden in der Käserei bei der Verarbeitung von sechs Millionen Liter Milch pro Jahr bis zu 100’000 Liter Heizöl eingespart. Zu rund einem Drittel wird die Milch zu Käse verarbeitet – nein, nicht Emmentaler, das würde irgendwie nicht zu Martin Götschi passen – er stellt daraus Gruyère her. Zudem produziert der Energieunternehmer grosse Mengen Butter und hat im kleinen Selbstbedienungsladen an der Dorfstrasse auch diverse weitere Käsesorten, Quark, Joghurts und Milchprodukte im Angebot. Und was passiert eigentlich mit den biogenen Reststoffen aus der Käseproduktion? «Die Schotten werden natürlich für die Mast der Schweine genutzt oder ich kann sie auch als Substrat für die Biogasanlage einsetzen.»

Ein Teil des reichhaltigen Angebots im Selbstbedienungsladen – auch hier warten die Trubschacher mit einem innovativen und modernen Konzept auf – der Käserei Götschi. Quelle: CNG-Mobility.ch

In der Käserei mit rund 18 Angestellten wird durch das komplexe Energiesystem nicht nur jede Menge und intelligent Energie gespart, sondern auch Wasser. Dazu hat Götschi eine Zweiosmoseanlage installiert, die das Wasser aus der Käseproduktion nochmals reinigt, so dass es für gewisse Zwecke erneut genutzt werden kann. «Alle finden Energie aus Biomasse eine gute Sache», sinniert Götschi zum Schluss, «nur bei der konkreten Realisierung der Anlage wird es meist kompliziert.» Dies schreckt ihn aber nicht ab, bereits weitere Optimierungsmöglichkeiten für seine Anlage zu prüfen. «Ich möchte vielleicht noch einen grösseren Dampfspeicher installieren, das würde die Temperaturregulierung verbessern, oder einen Kältemittel-Kreislauf installieren», erklärt Martin Götschi und die Augen des Käsers und Energieunternehmers leuchten dabei. (jas, 14. Februar 2023)

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