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Petitepierre Holdigaz SA/E. Fransdonk/M. Baertsch
Holdigaz SA/E. Fransdonk/M. Baertsch
 
 

Die Pläne für die Westschweiz

Philippe Petitpierre, Präsident und Geschäftsführer der Holdigaz SA, erklärt im Exklusivinterview, wie er sein Einzugsgebiet auf einen Boom bei LKW mit CNG- und LNG-Antrieb vorbereitet. Er erläutert, warum die Holdigaz Groupe bereit ist, grössere Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien und der Tankstelleninfrastruktur zu tätigen. Petitpierre verrät zudem, wie die Holdigaz Groupe jährlich 300’000 Tonnen CO2 einsparen kann und welche Herausforderung Wasserstoff im Gasnetz mitsichbringt.

Die 2005 gegründete Holdigaz SA und ihre Tochtergesellschaften sind auf Energie- und Gebäudedienstleistungen in der Westschweiz spezialisiert. Die Aktivitäten umfassen die Verteilung von Erdgas, die Produktion und Lieferung von Biogas, Solarenergie und Gebäudetechnik, einschliesslich Sanitär, Heizung und Lüftung/Klima. Die Holdigaz SA hält ausserdem Beteiligungen an verschiedenen national und international tätigen Unternehmen, darunter die Gaznat SA, die Erdgas und Biogas in der Westschweiz liefert und transportiert sowie die Verteilernetze versorgt. Die Holdigaz-Gruppe ist damit einer der wichtigsten Akteure auf dem Westschweizer Energiemarkt. Philippe Petitpierre erklärt auf der Wissensplattform CNG-Mobility.ch unter anderem exklusiv, wieso eine Produktionssteigerung bei Biogas und erneuerbaren Gasen unerlässlich ist und warum der CO2-Ausstoss kein lokales, sondern ein globales Problem ist.

Petitepierre Holdigaz SA/E. FransdonkQuelle: Holdigaz SA/E. Fransdonk

Herr Petitpierre, in Frankreich erleben LKW mit CNG- oder LNG-Antrieb einen regelrechten Boom, und in Genf wird eine LNG-Tankstelle gebaut. Wird sich diese Entwicklung auf die restliche Westschweiz ausbreiten?
Philippe Petitpierre, Präsident und Geschäftsführer der Holdigaz SA: Ja, im Einzugsgebiet der Holdigaz Groupe laufen verschiedene Massnahmen für eine bessere Verfügbarkeit von CNG und LNG für Lastwagen.

Welche Massnahmen sind das konkret?
Eine LNG-Zapfsäule für Lastwagen entsteht derzeit in Vufflens-la-Ville VD; sie wird im Laufe des Monats Juni in Betrieb genommen. Gleichzeitig haben wir an einigen Tankstellen die Kapazität erhöht, damit die Lastwagen dort volltanken können. Wir prüfen zudem die Möglichkeit, die Versorgung für Transportfahrzeuge durch ein bis zwei CNG-Tankstellen zu erweitern.

«Wir sind bereit, in neue Tankstellen zu investieren.»

In Deutschland führte eine LKW-Maut zu einer erheblichen Steigerung bei den Verkäufen von CNG- oder LNG-Trucks. Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang von der LSVA-Reduktion für Nutzfahrzeuge mit fossilfreiem Antrieb?
Wir erhoffen uns eine möglichst hohe Reduktion, im Minimum 50 Prozent. In Anbetracht dessen, dass die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe im Mittel pro LKW und Jahr 10’000 Franken beträgt, wäre dies für die Transportunternehmen ein wesentlicher Vorteil. Mehrere Transportunternehmen berücksichtigen diese Reduktion bereits bei der Planung ihrer Fahrzeugbeschaffung.

Was sind die Folgen für Sie als Energielieferant?
Wir sind bereit, in neue Tankstellen zu investieren, sollte die Nachfrage entsprechend steigen.

Die Kreislaufwirtschaft gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wie und mit welchen Mitteln will Holdigaz den Kreis schliessen?
Holdigaz tätigt grössere Investitionen im Bereich erneuerbare Energien, vor allem in der Produktion von Biogas. Unser Unternehmen Ecorecyclage in Lavigny VD produziert gleichzeitig Biogas und Kompost und ist ein gutes Beispiel für die Kreislaufwirtschaft. Zurzeit speisen wir von drei Standorten aus mehr als 25 Millionen kWh Biogas ins Gasnetz ein. Dies entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von etwa 1700 Haushalten. Des Weiteren verfolgen wir aufmerksam die Entwicklungen von Power-to-Gas, der Pyreg-Technologie und anderer Technologien.

Holdigaz SA/M. BaertschVon ihrem Hauptsitz in Vevey aus lenkt Philippe Petitpierre als Präsident und Geschäftsführer die Holdigaz SA. Quelle: Holdigaz/M. Baertsch

In Frankreich wird Biogas aus der Landwirtschaft immer häufiger direkt ins Netz eingespeist. Spürt Holdigaz auch eine steigende Nachfrage vonseiten der Landwirtschaft?
Ja, die Landwirtschaft zeigt für die Herstellung von Biogas ein grosses Interesse. Verschiedene Projekte werden zurzeit geprüft oder sind bereits in der Planung.

Erneuerbares Gas wird, wie von Ihnen erwähnt, in der Biogasanlage der Ecorecyclage SA in Lavigny hergestellt. Planen Sie weitere Anlagen dieser Art, um einer steigenden Nachfrage nach Biogas entsprechen zu können, oder verfügen Sie bereits über ausreichend Biogas?
Wir betreiben ebenfalls zwei Anlagen zur Aufbereitung und Einspeisung von Biogas in den Waadtländer Gemeinden Roche und Penthaz, eine vierte Anlage wird gerade realisiert und Ende Sommer in Betrieb genommen. Eine fünfte Anlage befindet sich in der Projektphase. Das Ziel der Schweizer Gasindustrie ist ein Anteil von 30 Prozent an erneuerbaren Gasen auf dem Wärmemarkt bis 2030. Infolgedessen ist eine Produktionssteigerung bei Biogas und erneuerbaren Gasen unerlässlich, sei es zu Heizzwecken oder für die Mobilität.

«Der CO2-Ausstoss stellt ein globales und nicht ein lokales Problem unseres Planeten dar.»

Wären europaweit anerkannte Biogaszertifikate und ein geregelter, grenzüberschreitender Biogashandel für die Gasindustrie in dem Fall ein Mehrwert?
Gewiss, aber vorerst setzen wir auf die lokale Produktion. Wir dürfen uns nicht nur auf das Ausland verlassen.

Wie viel CO2 könnte die Holdigaz Groupe jährlich durch die Steigerung der Biogasproduktion einsparen?
Erreichen wir bis 2030 zum Beispiel 100 GWh Biogas pro Jahr, reduziert sich der CO2-Ausstoss um ungefähr 20’000 Tonnen, im Vergleich zu den von unseren Kunden jährlich bezogenen 1500 GWh Erdgas und Biogas. Seit Oktober 2019 kompensieren wir die Emissionen aus den Erdgasverkäufen an unsere Kunden zu 100 Prozent durch die Finanzierung von anerkannten Klimaschutzprojekten von myclimate. Auf globaler und nicht lokaler Ebene sprechen wir also von 300’000 Tonnen CO2-Einsparung jährlich. Der CO2-Ausstoss stellt ein globales und nicht ein lokales Problem unseres Planeten dar.

«Eine Produktionssteigerung bei Biogas und erneuerbaren Gasen ist unerlässlich, sei es zu Heizzwecken oder für die Mobilität.»

Welche Projekte hat die Holdigaz Groupe in anderen Bereichen, zum Beispiel Power-to-Gas?
Um aus CO2 Mehrwert zu schaffen, nutzen wir zum Beispiel die mittels Methanisierung gewonnene Wärme für Gewächshäuser. Zudem besitzt Holdigaz den grössten Aktienanteil am Projekt Nordur, das eine grosse Power-to-Gas-Anlage in Island zur Produktion von erneuerbarem Gas betreiben wird. Ausserdem prüfen wir die Produktion von Wasserstoff zur direkten Einspeisung in unser Netz. Eine andere Möglichkeit ist die Verbindung dieser Energie mit CO2 zur Methanerzeugung, das heisst durch einen Methanisierungsprozess gewonnenes synthetisches Erdgas mittels Sabatier-Prozess. Wir überwachen zudem ständig die aktuelle Technologieentwicklung, um stets am Puls der Zeit zu sein.

Welche Herausforderungen stellen sich, wenn Wasserstoff via die Gasnetze transportiert wird?
Die Herausforderungen sind enorm! Es geht vor allem darum, die Kompatibilität unserer Netze und Anlagen beziehungsweise der Fahrzeuge mit Wasserstoff zu garantieren – vom Heizkessel über Brennöfen bis zu Autos und so weiter – sowie um die Messung der an unsere Kunden verkauften Energiemenge. Das sich die Gase unterscheiden, entspräche der verkaufte Kubikmeter nicht mehr der gleichen Energiemenge. Wie werden wir in Anbetracht der grossen Konkurrenz aus der Strombranche ausserdem in der Lage sein, aus erneuerbaren Energien grössere Mengen an Wasserstoff zu produzieren? Das ist die Hauptfrage! (jas, 30. April 2021)

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