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Weniger Emissionen – Kostenersparnis als Nebeneffekt

Experte Jens Andersen kennt die Vorteile der einzelnen Antriebstechnologien und hat ihre Lebenszyklus-Emissionen in einem spannenden Erklärvideo dargestellt.

Der ADAC bewies kürzlich in einer Studie, dass der CNG-Antrieb die nachhaltigste Antriebstechnologie ist, wenn man nicht nur die lokalen, sondern die CO2-Emissionen von Well-to-Wheel (wörtlich «vom Bohrloch bis zum Rad») betrachtet.

Keine Überraschung für Jens Andersen, der lange beim VW-Konzern unter anderem als Konzernbeauftragter für CNG-Mobilität die Entwicklung von CNG-Fahrzeugen vorantrieb. Heute ist der ausgewiesene CNG-Experte als Unternehmensberater in seiner von ihm gegründeten Technology Strategy Expert Group tätig. In einer spannenden Animation stellte er auf dem renommierten Wiener Motorensymposium gemeinsam mit Ludwig Möhring (Wingas – heute: Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V.) sowie Wolfgang Demmelbauer-Ebner (VW AG) schon 2017 die Vorteile des CNG-Antriebs hinsichtlich der Well-to-Wheel-Bilanz vergleichend dar.

Für diese Berechnungen ging man damals von einer Laufleistung von 200’000 km aus. Dies wäre bei einem Elektromobil ohne eine zweite Batterie de facto kaum erreichbar, wurde aber seinerzeit angenommen, um keine Angriffsfläche zu liefern. «Dass der ADAC heute bei den Well-to-Wheel-Bilanzen zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt, bestätigt die Annahmen von damals und freut mich deshalb, weil es uns um einen rationalen, faktenbasierten und ingenieurwissenschaftlichen Vergleich und nicht um Stimmungsmache für die eine oder andere Technologie ging», erklärt CNG-Experte Jens Andersen dazu. «Im Grundsatz hat sich an diesen Zusammenhängen nichts Wesentliches geändert.»

Wie wichtig der Strommix in den einzelnen Weltregionen, die Treibstoffbereitstellung und die Fahrzeugherstellung für den tatsächlichen CO2-Ausstoss und die Lebenszyklus-Emissionen sein können, zeigt das folgende Video eindrucksvoll.

Quelle: Wiener Motorensymposium von 2017.
1) Annahme BAT: Erdgas aus Norwegen ohne Biogasanteil 2) Renewable Energy Directive (EU) 3) Methan aus Windstrom am Bsp. einer e-gas Anlage 4) berechnet mit Windstrom 5) WtW-Bilanz mit 7 % Biodiesel bzw. 5 % Bioethanol gemäss EN 590 und EN 228, spez. CO₂-Reduktion der Biokraftstoffe beträgt 35 % gemäss EU-Direktive 2009/28/EC.

In einem ersten Schritt werden die CO2-Emissionen eines VW Golfs mit den unterschiedlichen Antriebsvarianten und einer Laufleistung von 200’000 km analysiert. Wird nur die Nutzung (Tank zu Rad = dunkelblauer Balken) berücksichtigt, schneidet die CNG-Variante (92 g/km) schon besser ab als ein Benziner (113 g/km) und ein Diesel (99 g/km). Wird die Well-to-Tank-Bilanz (vom Bohrloch bis zum Tank = hellgrüner Balken) miteinbezogen schlägt der CNG-Golf (103 g/km) sogar das mit einem primär mit Kohlestrom betriebene Elektromobil in China (123 g/km).

In einem zweiten Schritt werden nun die bei der Fahrzeugherstellung anfallenden CO2-Emissionen der unterschiedlichen Antriebsvarianten miteingerechnet. Bei dieser Analyse von Cradle-to-Gate (Krippe zu Werkstor = roter Balken) zeigt sich, dass die aufwändige Batterieherstellung sich für die Elektromobile negativ auswirkt. Nun schneidet das mit fossilem CNG betriebene Auto (127 g/km) sogar besser ab als ein mit US-Strommix betriebenes Elektromobil (128 g/km). Spannend zudem: Ein mit Biogas angetriebenes Fahrzeug (48 g/km) schneidet bei Betrachtung der Lebenszyklus-Emissionen genau gleich ab wie ein mit regenerativem Strommix betriebenes Elektroauto (48 g/km).

Betrachtet man jetzt Herstellung und Nutzung (Cradle-to-Wheel) der einzelnen Antriebsarten, kommt ein Elektrofahrzeug erst nach mehr als sechs Jahren Nutzung bei den Lebenszyklus-Emissionen auf eine bessere Bilanz als das CNG-Fahrzeug. Wird der Stromer konsequent mit erneuerbarer Energie betankt, liegt er nach drei Jahren gleichauf wie ein CNG-Modell.

Nutz man beim CNG-Fahrzeug statt des fossilen CNGs jedoch Biogas oder E-Gas, das durch Vergärung von biogenen Abfällen oder mit Hilfe von überschüssiger Windenergie gewonnen wird, fährt das CNG-Modell selbst nach 13 Jahren noch nachhaltiger als ein Elektroauto!

Herr Andersen, Ihre Animation zeigt, dass CNG aktuell die klimafreundlichste Antriebsvariante ist. Wer sollte denn ernsthaft über den Kauf eines CNG-Autos nachdenken?
Jens Andersen:
Wenn man die Umwelt rasch schonen, Geld sparen, dennoch nicht auf Komfort verzichten will und ein Elektro-Fahrzeug nicht in Betracht ziehen kann oder möchte, kommt man eigentlich um CNG nicht herum.

Was erwartet die Kunden bei einem solchen Auto?
Diese Antriebe überzeugen mit Laufruhe, Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit. Niemand muss dabei auf Dynamik oder Komfort verzichten. Alle Motoren wurden speziell für den CNG-Antrieb konstruiert und die CNG-Antriebe des VW-Konzerns stellen hier den «State of the art» dar. Zusätzlich besitzen CNG-Autos noch Benzintanks, falls der Weg zur nächsten Erdgas-Tankstelle einmal zu weit sein sollte. Bei Nutzfahrzeugen kommen neben den ökonomischen und ökologischen Vorteilen auch die um etwa die Hälfte niedrigeren Geräuschemissionen gegenüber einem Dieselmotor zum Tragen – das wissen die wenigsten. CNG-Motoren arbeiten wegen der weicheren Verbrennung schlicht leiser. In manchen europäischen Ländern dürfen deswegen CNG-LKW oder auch kommunale Nutzfahrzeuge nachts in Städte einfahren, Diesel-LKW hingegen nicht.

Die Reduzierung der Schadstoffe am Beispiel VW Golf in der Animation wirken allerdings nicht so spektakulär: 103 Gramm CO2 pro Kilometer mit CNG gegenüber 137 Gramm beim Benziner…
Das war der Stand von 2017 und galt für rein fossiles CNG. Heute ist man hier mit den neuesten Motorgenerationen weiter. Bei der Untersuchung, die der Animation zu Grunde liegt, wurde damals der gesamte Lebenszyklus eines Autos betrachtet: von dessen Herstellung über die Treibstoffproduktion bis zum Verbrauch. Und da schneidet fossiles CNG zunächst besser ab als Benzin oder Diesel, aber nicht spektakulär – korrekt. Verwendet man aber erneuerbares CNG, ist es sogar fast unschlagbar und dem mit Windstrom betrieben E-Fahrzeug ebenbürtig.

Wie meinen Sie dies?
Ich spreche von Biogas oder E-Gas, das durch Vergärung von biogenen Abfällen oder mit Hilfe von überschüssiger Windenergie gewonnen wird. Pflanzliche Reste oder idealerweise Gülle aus der Landwirtschaft werden dabei zu Methan vergoren. Dieses speist man ins allgemeine Erdgasnetz ein. E-Gas wiederum entsteht mit Windkraft. Auch hier speist man CNG ins Netz ein und hat auf diese Weise fast null CO2-Emissionen bei Herstellung und Verbrauch. Damit angetrieben, ist man im CNG-Auto mit dem mit Abstand saubersten Verbrennungsmotor mit geringsten CO2-Emissionen unterwegs. Die Vorteile bei den Partikel- und Stickoxid-Emissionen sind hierbei noch gar nicht betrachtet worden. Auch nicht die Treibhausgasemissionen, die durch das Düngen der Felder mit Gülle entstehen, statt die Gülle einem Energiekreislauf und somit der CNG-Mobilität zuzuführen.

Die Vorteile liegen also auf der Hand. Warum ist CNG bei uns bislang trotzdem so wenig bekannt?
Der Nutzen für die Umwelt und der geringere Preis müssen sich gerade jetzt noch besser herumsprechen – insbesondere bei professionellen Betreibern von Wagenflotten. Die könnten viel Geld sparen und sofort etwas gegen den Klimawandel tun, wenn sie moderne CNG-Autos einsetzen. Zumal Dieselfahrzeuge wegen der strengen Emissionsvorschriften immer teurer werden. Es gibt ausserdem grosse Länder wie Brasilien oder Indien, wo die Elektrifizierung noch sehr viel länger dauern wird als in Europa. Bis dahin ist der CNG-Antrieb eine überzeugende Technologie, mit der die grossen Emissionsprobleme in den Städten zusätzlich angegangen werden können. Das gilt auch für Busse und Lastwagen, die bereits mit steigendem Erfolg als schadstoffarme CNG- und LNG-Varianten angeboten werden. (jas, 18. September 2019).

Persönlich
Dr.-Ing. Jens Andersen war 28 Jahre für den Volkswagen-Konzern auf verschiedenen Positionen tätig. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur arbeitete zuletzt bei VW als Konzernbeauftragter für CNG-Mobilität und Leiter der Technologiestrategie des Konzerns und war zuvor unter anderem für die technische Projektleitung aller Personenwagen-Projekte der Marke VW zuständig. Insbesondere die Leitung der Aggregate-Strategieentwicklung hat er über einen Zeitraum von über 20 Jahren massgeblich mitgestaltet. Der begeisterte Motorradfahrer und Freund exzellenter Musikreproduktionen hat sich 2018 selbstständig gemacht. Heute stellt er seine Industrieerfahrung zu strategischen, organisatorischen oder prozessualen Themen Unternehmen der Automobil- und Zulieferindustrie zur Verfügung.

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