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Die Schweiz hat gute Voraussetzungen

Professor Markus Friedl von der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) sieht bei der Power-to-Gas-Methode grosses Potenzial für eine einheimische Wertschöpfung. Welche erläutert er anhand eindrücklicher Beispiele.

«Die aktuellen Energiekosten der Schweiz belaufen sich auf 19 Milliarden Franken im Jahr. Das entspricht etwa drei Prozent unseres Bruttoinlandprodukts. Zudem stossen wir heute etwa 50 Megatonnen CO2 pro Jahr aus», lieferte Prof. Dr. Markus Friedl, Leiter des Instituts für Energietechnik an der Hochschule für Technik Rapperswil, beim «Symposium für nachhaltige Mobilität» den 160 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern eindrückliche Zahlen. «Von diesem jährlichen Energieverbrauch von 240 Terrawattstunden müssen wir langfristig 170 Terrawattstunden oder 71 Prozent ersetzen.»

Will man in der Schweiz künftig ohne fossile Energieträger und ohne Atomkraft auskommen, werden chemische Energieträger eine immer bedeutendere Rolle spielen. Der Individualverkehr müsse elektrisch, durch Wasserstoff oder Bio-Treibstoff erfolgen. Und die Fracht sollte auf der Strasse mit Methan transportiert werden. Egal, ob es sich dabei um Biogas oder CNG handelt, das durch die Power-to-Gas-Methode (PtG) produziert wird. Bei PtG wird mittels Elektrolyse aus Wasser und Strom Wasserstoff (H2) gewonnen, der durch die Zuführung von CO2 in Methan (CH4) umgewandelt werden kann.

 

Hier gelte es gemäss Friedl vor allem das grosse einheimische Potenzial zu nutzen. Mit PtG habe die Schweiz die Möglichkeit, einen wichtigen Schritt in der Energiewende zu machen und sich zudem mehr Unabhängigkeit vom Ausland zu verschaffen. Denn je mehr synthetisches Methan man in der Schweiz produziere, desto weniger Strom und fossile Energieträger müsse man importieren und desto mehr CO2 könne man einsparen. «Es gibt ganz unterschiedliche Modelle und Annahmen, aber einig sind sich alle in einem: Wir müssen uns schnell bewegen und jetzt handeln», erklärte der HSR-Professor. «So kann man den CO2-Austoss von 50 auf 7,3 Megatonnen im Jahr und somit im Zeitraum von 2010 bis 2050 um 60 Prozent senken.»

«PtG mit fossilem Strom ergibt keinen Sinn», führte Friedl weiter aus. «PtG braucht Elektrizität mit sehr wenig CO2-Emissionen und da hat die Schweiz vor allem bezüglich Photovoltaik noch ein riesiges Potenzial.» Entscheidend im Ringen um tiefere CO2-Werte seien neben der neuen PtG-Technologie auch eine Verhaltensveränderung sowie die Nutzung von Robotaxis, Uber oder auch Carsharing. «Wichtig: Die Schweiz kann sich zu vertretbaren Kosten mit Energie versorgen. Dabei ist fossiles CNG eine Brückentechnologie, die nahtlos durch erneuerbares Gas ersetzt werden kann.» Aktuell sei Mobilität mit 100 Prozent Biogas sogar die umweltfreundlichste Art der Mobilität.

Um eine Dekarbonisierung und die Energiewende bis 2050 zu erreichen, seinen jedoch viele unterschiedliche Initiativen nötig. Zudem würden sich in den nächsten Jahren auch die Geschäftsmodelle vieler Firmen ändern, erklärte Friedl. So ist Tesla längst nicht mehr nur Hersteller von Elektroautos, sondern engagiert sich auch im Bereich Batterieherstellung sowie Heimspeicher. Als weiteres Beispiel, wie man schon heute und sofort etwas gegen den CO2-Ausstoss tun könne, nennt der Professor die soeben eröffnete, erste LNG-Tankstelle von Lidl Schweiz in Weinfelden. Der Vorteil des LNG, was für Liquefied Natural Gas und somit verflüssigtes CNG steht: Es kann genauso wie verflüssigtes Biogas (LBG) schon jetzt genutzt werden. «Das oft beschworene Henne-Ei-Problem besteht nicht», erklärte Friedl. «Nur deckte das Projekt einen Fehler im Schweizer Zollgesetz auf, der behoben werden sollte.» Der Import von LNG wird dadurch klar teurer.

Dies müsse man bei der Überarbeitung der CO2-Gesetzgebung genauso angehen wie die Thematik des Netznutzungsentgelts (NNE) für Power-to-Gas. Da Anlagen in der Schweiz NEE entrichten müssten, können sie aktuell nur betrieben werden, wenn sie gleich neben einem Stromkraftwerk stehen, was die Standortwahl unnötigerweise massiv einschränkt. Daher entsteht eine Power-to-Methan-Anlage in Dietikon ZH gleich neben der Kehrichtverbrennungsanlage, eine weitere steht in Solothurn. Sie produziert seit Mai 2019 erfolgreich Methan, nur läuft das EU-Forschungsprojekt, in dessen Rahmen sie entstand, im März 2020 aus. Es ist daher ungewiss, wie die Zukunft für die Anlage aussieht. Apropos Zukunft: An der forscht man natürlich auch im Bereich PtG eifrig, um vor allem den hohen Wärmeverlust von fast 50 Prozent bei der Umwandlung zu Methan zu verringern. «Statt mit flüssigem Wasser arbeiten wir dabei mit Wasserdampf, was einen Wirkungsgrad von bis zu 70 Prozent ermöglicht», verrät Friedl.

Für die aktuellen Forschungsergebnisse des Leiters des Instituts für Energietechnik an der Hochschule für Technik Rapperswil interessiert sich sogar Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Sie besuchte die Pilotanlage in Rapperswil zusammen mit der St. Galler Regierungsrätin Heidi Hanselmann. «Die Bundesrätin war sehr angetan und es fand ein sehr guter Austausch statt», resümierte Friedl zufrieden. (jas, 8. Juli 2019)

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