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Montage Ecoviva/Celine Geser
 
 

Autofahren mit Gülle und Mist

Biogas als Treibstoff für die Mobilität fördern. Das ist das Ziel der Energie-Genossenschaft «fahrBiogas». Präsidentin Sibylle Duttwiler spricht im Interview über die Wertschöpfung, die Biogas generiert, sowie über das Potenzial, das in Gülle und Mist steckt und das es auszuschöpfen gilt.


Der Biogas/CO2-Kreislauf an einer Illustration erklärt. Quelle: Celine Geser für fahrBiogas

Frau Duttwiler, «fahrBiogas» wurde 2017 gegründet. Worin lag die Motivation, eine Genossenschaft ins Leben zu rufen, die Biogas für die Mobilität fördern will?
Sibylle Duttwiler, Präsidentin «fahrBiogas»: Uns ging alles zu langsam. Wir sahen, dass die Technologie, Abfälle zu nutzen und damit Auto zu fahren, fertig entwickelt war, aber dennoch kaum Projekte realisiert wurden. Gleichzeitig ist kaum bekannt, dass Biogas aus Abfällen sowohl den CO2– als auch den Nährstoffkreislauf schliesst. Deshalb wollten wir mit konkreten Beispielen zeigen, dass es geht und wie es geht. Unser Ziel: Zukünftige Projekte sollen nicht nur schneller und mutiger realisiert werden können, sondern wir wollen Biogas auch sichtbar und bekannter machen sowie die Freude an Biogas vermitteln.

Wie viele Mitglieder hat «fahrBiogas»?
Wir sind aktuell 40 Mitglieder aus der ganzen Schweiz. Wir haben begeisterte Biogas-Autofahrer, aber auch überzeugte ÖV-Nutzer und Fussgänger. Nicht zuletzt sind auch reuige Dieselfahrer in unseren Reihen. Alle möchten sich aktiv für die Energiewende einsetzen und dazu beitragen, dass man wegkommt von den fossilen Treibstoffen. Übrigens: Wir freuen uns über weitere Mitglieder!

Die Energie-Genossenschaft setzt sich ein für den Bau und Betrieb von Anlagen für erneuerbare Energie, insbesondere von Biogas-Aufbereitungsanlagen und -Tankstellen. Wie sieht dieses Engagement aus?
Wir unterstützen einerseits Biogas-Projekte mit Beratung in der Planungs- und Bauphase oder vermitteln an weitere Fachleute. Wir kennen die benötigte Technik, um aus Abfällen Treibstoff zu produzieren und wir haben Erfahrung mit den Behördengängen. Andererseits entwickeln und investieren wir in Biogastankstellen-Projekte mit besonders grosser Ausstrahlungskraft. Ein Beispiel ist die Biogastankstelle Frutigen, von der wir 90 Prozent der Anteile halten und in die zusätzliche Darlehen von unseren Mitgliedern eingeflossen sind. So ist jedes unserer Mitglieder Mitbesitzerin der Biogastankstelle Frutigen und Mitproduzentin von Frutiger Biogas.

«Schweizer Abfälle können noch besser genutzt werden, insbesondere in der Landwirtschaft gibt es noch grosses ungenutztes Potential»

Die Biogastankstelle Frutigen wurde gemeinsam mit der Biogasanlage Frutigland GmbH im November eröffnet. Wie sind die Rückmeldungen und wie ist der Stand der Auslastung?
Die Leute sind begeistert, dass sie mit eigenen Abfällen (ihrem Klärschlamm und den Abwässern aus dem Tropenhaus) Autofahren können. Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Wir haben bereits über 35 Biogastankkunden, die regionales Biogas tanken. Die Auslastung liegt derzeit bei etwa 20 Prozent der Anlage. Nur ein kleiner Teil des Biogases wird für den Treibstoff genutzt. Parallel zum Tankstellenbetrieb wird der grösste Teil des Biogases in einem Blockheizkraftwerk verstromt.


Eröffnung der Biogastankstelle Frutigen im November 2019. Quelle: fahrBiogas

Gibt es andere Projekte, die darauf abzielen, Biogas für die Mobilität zu fördern?
Wo wir allgemeine Fragen klären wollen, erarbeiten wir Studien und Berechnungen, zum Beispiel bezüglich Raumplanung oder bezüglich Biogas-Transport über die Strasse. Wir produzieren Erklärvideos und arbeiten mit Illustratorinnen zusammen, um Biogasthemen zu visualisieren. Ein Beispiel ist die Visualisierung, wie der Biogas/CO2-Kreislauf funktioniert: vom organischen Abfall über die Vergärung zum Biogas, zur Energie und Düngergewinnung, über das CO2 aus dem Auspuff zum Pflanzenwachstum. Zudem sind wir mindestens zweimal pro Jahr an Anlässen oder Messen dabei, um direkt mit den Leuten über Biogas zu sprechen.

Wie zufrieden sind Sie im Allgemeinen, wenn es um das Thema Biogas/CNG und Mobilität in der Schweiz geht?
Die Ungeduld sowie der Wunsch, dass es schneller geht, hat uns zu Beginn bei der Gründung angetrieben. Leider treiben uns auch heute noch diese Faktoren an. Die Mühlen mahlen zu langsam, es gibt zum Beispiel noch viele administrative Hürden. Auch verteuern viele Anforderungen kleine Projekte zu sehr. Aber wir sind auch zufrieden, dass die Schweiz seit den 80er-Jahren eine starke, aktive Biogasbranche besitzt und breites Know-how vorhanden ist. Positiv ist zudem, dass das Bundesamt für Energie und die Klimastiftung Schweiz Biogas-Projekte fördern und auch die Gasbranche Biogas pusht und insbesondere die Schweizer Produktion fördert.

Wo sehen Sie noch Potenzial?
Schweizer Abfälle können noch besser genutzt werden, insbesondere in der Landwirtschaft gibt es noch grosses ungenutztes Potential. So werden bisher erst 6 Prozent Gülle und Mist energetisch genutzt. Biogas ermöglicht ein mehrfaches Plus: Abfälle werden energetisch genutzt, fossile Treibstoffe ersetzt, Dünger erzeugt und Treibhausgase vermindert. Gleichzeitig werden lokale Beschäftigung und Wertschöpfung erzeugt. Dezentral, also abseits des Erdgasnetzes, gäbe es bestimmt noch 40 geeignete Standorte für reine Biogastankstellen, die das Erdgas-/Biogastankstellennetz auf gegen 200 Tankstellen in der Schweiz verdichten könnten.


Sibylle Duttwiler während der Besichtigung der Biogastankstelle Schönenwerd. Quelle: Ecoviva

Wie kann dieses Potenzial ausgeschöpft werden?
Es braucht zwingend Technologieoffenheit in der Politik. Dies bedeutet, den Blick zu öffnen aus dem eigenen «Gärtli» heraus und offen zu bleiben für zukünftige Entwicklungen. Nicht verhindern, sondern ermöglichen, miteinander, nicht gegeneinander. Gemeinsam geht es besser und schneller!

Sie sind Maschinenbauingenieurin FH mit Vertiefung Energietechnik. Was fasziniert Sie persönlich am Biogas und weshalb engagieren Sie sich als Präsidentin der Genossenschaft?
Als Maschinenbauingenieurin und allgemein vom Typ her bin ich Entwicklerin. Mich treibt an, Probleme zu lösen, nach dem Motto «geht nicht, gibt’s nicht». Mit Biogas haben wir eine Lösung für die Abfallverwertung, für die Mobilität und für Dünger – fast ungeheuerlich umfassend. Und dies noch dazu mit einer einfachen, schonenden Technologie ohne Abfälle. Das ist faszinierend. Inzwischen verfügen wir auch über die Technik, Biogas so aufzubereiten, dass es für das Auto egal ist, ob es Erdgas oder Biogas tankt. Doch das Problem mit der Biogasmobilität ist kein technisches mehr, sondern liegt daran, dass sie zu wenig bekannt und akzeptiert ist. Die Herausforderung ist, dass Biogas in Zukunft so alltäglich wird wie Benzin heute.

Wie sieht die Mobilität der Zukunft Ihrer Meinung nach aus?
Es sollte einen technologieoffenen Mobilitäts-Mix geben, aber unbedingt mit erneuerbaren Treibstoffen. Also erneuerbar elektrisch, erneuerbares Biogas, erneuerbarer Wasserstoff und weitere erneuerbare Treibstoffe nebeneinander. Denn je nach Einsatzgebiet ist ein Biogas-Fahrzeug geeigneter oder ein elektrisches und so fort. Aus meiner Sicht eine wichtige Rolle wird die ÖV-Nutzung, das Velofahren und das Autoteilen einnehmen: Wir müssen unbedingt sparsamer mit den Ressourcen umgehen, sonst nützt alle Effizienz und Abfallverwertung nichts. (cst., 29. September 2020)

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