Portal für klimafreundlichere Mobilität

iStock
 
 

«Ab Morgen leben wir auf Pump»

Die Energieversorgung der Schweiz ist geprägt durch eine hohe Auslandabhängigkeit. Drei Viertel unserer Energie wird über weite Distanzen importiert.

Lidl SchweizIn der Schweiz setzen bereits einige Detailhändler wie Lidl Schweiz (Bild) oder auch die Migros unter anderem auf Biogas-LKW, um die CO2-Emissionen nachhaltig zu senken. Quelle: Lidl Schweiz

Jährlich überweist die Schweiz durchschnittlich rund 10 Milliarden Franken für Energielieferung ins Ausland, das uns die nötigen Erdölprodukte, Gas sowie Kernbrennstoffe liefert. Sinnbildlich für die hohe Auslandabhängigkeit bei der Energieversorgung steht der so genannte «Energie-Unabhängigkeitstag». Dieser ist von der Schweizerische Energie-Stiftung (SES) bereits auf den 13. April berechnet worden. Mit einer Energieunabhängigkeitsquote von lediglich 28,1 Prozent liegt die Schweiz im europäischen Vergleich im hinteren Mittelfeld. Spitzenreiter sind Estland und Island mit fast 90 Prozent. Die Schlusslichter des Vergleichs sind Luxemburg, Zypern und Malta mit einer Energieunabhängigkeitsquote von unter 10 Prozent. In den letzten 20 Jahren hat die Schweiz ihre Energieunabhängigkeit kontinuierlich gesteigert. In der Zukunft werden die vom Volk beschlossene Energiestrategie 2050 und das bundesrätliche Netto-Null-Ziel bis 2050 zusätzliche Bewegung bringen, beim Ersatz von fossilen Energieträgern und dem Aufbau von inländischen Energiequellen.

Unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, der aktuellen Debatte über die Energieversorgungssicherheit und dem grossen Handlungsbedarf beim Klimaschutz wird die Bedeutung der einheimischen und erneuerbaren Energiequellen wie Wasser-, Wind- und Sonnenenergie, aber auch Biogas zunehmen. Denn durch die konsequentere Nutzung der Biomassse, die viel zu oft verbrannt statt verwendet wird, könnte die Schweiz die Abhängigkeit von (fossilen) Energieimporten verringern. Zudem werden die Versorgungssicherheit erhöht und zugleich regional neue Arbeitsplätze geschaffen. «Die Bioenergie hat ihr Entwicklungspotenzial noch nicht ausgeschöpft: Dies betrifft besonders den Ausbau der Kreislaufwirtschaft durch Nutzung von Rest- und Abfallstoffen», verrät Pascal Lenzin von Energie Wasser Bern.

 

kreislauf«Aktuell ist die Gas- und Biogas-Versorgung nicht gefährdet. Die erhöhten Beschaffungspreisen auf den Märkten führen aber dazu, dass die Preise in den einzelnen Regionen in Bewegung sind. Wir verspüren zudem eine erhöhte Nachfrage nach Biogas», so der Product Manager Mobilität bei Energie Wasser Bern. Die führenden Biogas-Produzenten, die Biogas europaweit angeboten und auch gleich selbst genutzt haben, sind Dänemark und Schweden. Sie lieferten an ihren 17 beziehungsweise 205 CNG-Tankstellen bereits vor zwei Jahren 100 beziehungsweise 95 Prozent Biogas an die Nutzerinnen und Nutzer von CNG-Fahrzeugen. In der Schweiz lag der Biogasanteil dagegen Ende 2021 noch bei 26,0 Prozent.

BiogasanlageEine Biogasanlage am Rande eines Rapsfeldes im deutschen Bundesland Brandenburg. Quelle: iStock

Der Markt reagiert auf die erhöhte Nachfrage nach Biogas: Produzenten erhöhen ihre Kapazitäten. «Wir rechnen damit, dass der Biogasanteil in den nächsten Jahren gesteigert werden kann», so Pascal Lenzin. «Eine konkrete Zahl kann ich leider nicht nennen, da dies im Ermessen der einzelnen Gasversorger liegt.» Biogas und Biomethan sind erneuerbare Gase mit enormem Potenzial zur Emissionsreduzierung in vielen Bereichen der Wirtschaft – einschliesslich der Industrie, bei Gebäuden, in der Landwirtschaft und in der Mobilität. Dafür verantwortlich sind weitgehend nachhaltige Produktionspfade auf der Grundlage der Kreislaufwirtschaft.

Mit Biogas im Tank sind selbst grosse Lastwagen mit CNG-Antrieb nahezu CO2-neutral unterwegs – bereits heute und nicht erst 2050! Quelle: CNG-Mobility.ch

Die EU-Kommission schätzt, dass im Jahr 2030 mindestens 44 Milliarden Kubikmeter beziehungsweise 467 Terawattstunden an Biogas und Biomethan zur Verfügung stehen. In der Schweiz gibt es aktuell 37 Anlagen, in denen Biogas produziert und ins Gasnetz eingespeist wird. Neben diesen grossen Anlagen gibt es zudem Hunderte kleinere Biogasanlagen, welche das Biogas direkt vor Ort verwenden. Die Konferenz kantonaler Energiefachstellen hat das Potenzial von Biogas 2018 in einer Studie untersucht und kommt auf ein Gesamtpotenzial von insgesamt 6,6 Terawattstunden in der Schweiz. «Davon ist nicht alles nutzbar, weil es nicht in der Nähe bestehender Gasnetze liegt und somit zu einem vernünftigen Preis eingespeist werden könnte», gibt Lenzin zu bedenken. «Rechnet man die aktuell noch nicht genutzte Biomasse, die in absehbarer Zeit zu Biogas verarbeitet werden könnte, kommt man aber fast auf 4 Terawattstunden.» Das Potenzial gilt es zu erschliessen. So können fossile Energieträger durch nachhaltige ersetzen werden, unter anderem durch rasch verfüg- und einsetzbares Schweizer Biogas, was wiederum hilft, die hohe Auslandabhängigkeit zu senken und so auch das Datum des Schweizer Energie-Unabhängigkeitstag weiter nach hinten schiebt. (jas, 12. April 2022)

Das könnte Sie auch interessieren

Klimafreundlichere Mobilität:
Dank unserem LinkedIn-Profil bleiben Sie am Ball!