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Martin Minder
 
 

Biogas: eine geniale Ressource

Der Berner Betriebswirtschafter Martin Minder sieht aktuell nur zwei klimaschonende Antriebsarten: Elektro- und CNG-Antrieb mit Biogas im Tank. Warum?

Minder Seit einem Jahr fährt der Betriebswirtschafter Martin Minder einen Audi A5 Sportback mit CNG-Antrieb und spart so dank Biogas im Tank Kilometer für Kilometer CO2. Quelle: Martin Minder

Herr Minder, Sie sind seit April 2019 auf einen Seat Leon mit CNG-Antrieb umgestiegen und seit gut einem Jahr fahren Sie einen Audi A5 g-tron? Wie zufrieden sind Sie mit den CNG-Fahrzeugen?
Martin Minder, Betriebswirtschafter und CNG-Fahrer aus Leissigen BE: Seit ich im April 2019 den Seat Leon TGI gekauft habe, fahre ich erstmals mit reinem Öko-Gewissen Auto! Die Abgaswerte sind gut, der Motorenlärm ist gering und das Wichtigste: Fahren mit Biogas ist klimaneutral. Vor einem Jahr wechselte ich auf den Audi A5 g-tron. Den habe ich mir als Occasion gekauft, weil sein Zusatzbenzintank noch 25 Liter fasst und dies eine Notreichweitenerweiterung von 400 Kilometern ergibt. Die neueren Modelle haben nur noch einen 7 Liter kleinen Benzin-Zusatztank. Der Audi ist ein feiner Reisewagen mit gutem Platzangebot und tollen Kraftreserven, gleichzeitig windschlüpfrig und sparsam. Ich komme durchschnittlich mit 4,3 kg/100 km aus und fahre in der Schweiz fast nie mit Benzin.

Tanken Sie CNG oder so oft als möglich Biogas?
Diese Frage ist klar zu beantworten: Wenn immer möglich nur Biogas! Und bloss 3 bis 4 Prozent meiner Kilometer fahre ich noch mit Benzin.

Minder Martin Minder verbraucht im stattlichen Audi durchschnittlich lediglich 4,3 kg/100 km und fährt in der Schweiz fast nie mit Benzin. Quelle: Martin Minder

Wieso sind Sie ursprünglich auf ein Auto mit CNG-Antrieb umgestiegen?
Ein Freund – kurz vor mir zum Seat-Leon-TGI-Fahrer geworden – machte mich darauf aufmerksam, dass es verschiedene Biogas-Personenwagen und in unserer Region rund um Thun mehrere Tankstellen gibt, an denen man 100 Prozent Biogas tanken kann. Ich war sofort Feuer und Flamme – zukunftsgerichtete Fortbewegung! Als Privatperson so die Klimawende zu vollziehen und das für wenige Tausend Franken, das musste ich als wissenschaftlich denkender Mensch einfach tun. Ich kannte vorher Biogas-Fahrzeuge in Form der Busse von Bernmobil, hatte aber das private Biogasfahren gar nicht auf dem Radar.

Stört es Sie, dass die Autohersteller den Fokus nur noch auf die E-Mobilität legen und andere Technologien fast ganz ausblenden?
Mich stört es extrem! Gerade letzte Woche hat mir Audi einen teuren Prospekt mit grösstenteils Elektro-Autos der teureren Sorte verschickt, aber die geniale Reihe der g-tron-Autos fehlte – ich bin entsetzt! Gerade der VW-Konzern war in Europa der grösste Anbieter von CNG-Modellen. Audi hatte sogar extra eine eigene Biogasproduktion eingerichtet und jetzt lässt man offenbar diese sensationelle Technologie einfach «fahren» – das ist mir unbegreiflich.

Minder Quelle: Martin Minder

Was stört Sie am meisten daran?
Man muss dazu wissen: Jede organische Masse, die passiv mikrobiell verrottet, generiert Methan. Dieses entweicht in die Atmosphäre und ist als Treibhausgas mindestens zwanzig Mal so schädlich wie CO2! Daher müsste man den Prozess umdrehen: Sammeln wir all die Tonnen von organischen Abfällen in Landwirtschaft, Handel, Gastronomie und von Haushalten ein und bauen wir – das muss gefördert werden – möglichst viele Biogasreaktoren, so können wir das Methan als Treibstoff nutzen. Nach meinen Beobachtungen wissen die Politiker viel zu wenig Bescheid darüber. Und die Entscheidungsträger in der Wirtschaft richten sich eindeutig noch zu wenig an den wissenschaftlichen Gegebenheiten aus. Immerhin haben Grossverteiler im Mittelland damit begonnen, Gemüse- und Früchtereste bei den Verkaufsstellen einsammeln zu lassen und sie in drei grossen Biogasanlagen, darunter in Frutigen BE, zu klimaneutraler Energie zu verarbeiten – sehr lobenswert.

Wie viel CO2 haben Sie auf all Ihren Kilometern dank CNG beziehungsweise Biogas schon einsparen können?
Die Summe der Einsparungen in den Jahren 2019 bis 2021 beträgt nach meinen Berechnungen 6,8 Tonnen CO2. Meine noch rund 2000 mit Benzin gefahrenen Kilometern verursachten dem gegenüber noch einen CO2-Ausstoss von rund 0,3 Tonnen.

Minder Schon mit seinem ersten CNG-Fahrzeug, einem Seat Leon TGI, tankte der Berner, wenn immer möglich, Biogas. Quelle: Martin Minder

Gibt es auch Herausforderungen als Biogas- beziehungsweise CNG-Fahrer, zum Beispiel punkto Tankstellennetz?
Ja, in Basel, Graubünden, Tessin und in der Romandie habe ich noch keine Tankstellen gefunden, an der man an der Zapfsäule selbst 100 Prozent Biogas erhält.

Welche Vorteile bietet Ihnen die CNG-Mobilität?
Ich weiss, dass ich etwas Konkretes für den Planeten, das Klima und unsere Nachfolgegenerationen tue. Dies ohne Komforteinbusse, ja sogar mit rund 20 Prozent tieferen Treibstoffkosten! Warum macht das sonst fast niemand? Warum sind die Fachleute im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK und in den Ministerien anderer Länder so engstirnig auf Elektro fixiert? Das ist nicht zielführend.

Gibt es neben CO2-Einsparung und tiefen Gesamtkosten als CNG-Nutzer noch weitere Vorteile?
Ja, das Vermeiden von Russpartikelausstoss und der geringere Lärm des CNG-Antriebs. Denn heute fahren noch über 35 Prozent knatternde Dieselautos umher…

Minder Mit dem Seat Leon TGI startete Martin Minder im April 2019 seine persönliche Klimawende und ist seitdem ein begeisterter Biogas-Fahrer. Quelle: Martin Minder

Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihr CNG-Auto?
Sie hören mir zu und reagieren nicht wirklich! Sogar Garagisten haben null Enthusiasmus für Biogasfahrzeuge, die sind im Schnitt viel zu wenig grün. Sie verkaufen lieber Diesel-SUV mit vielen PS, die bringen mehr Marge. Ich weiss über klimaschonendes Gas-Fahren mittlerweile leider besser Bescheid als viele Autoverkäufer.

Wie und wieso würden Sie ein CNG-Auto weiterempfehlen?
Ein Auto, das mit Biogas betrieben wird, hat über die Lebensdauer gemessen eindeutig die beste Klimabilanz, weil seine Produktion viel weniger Energie und Rohstoffe braucht als ein Elektro-Auto! Ab Kilometer 1 kann das CNG-Auto klimaneutral betrieben werden. E-Autos fahren nur dann klimaneutral, wenn sie zu 100 Prozent mit sauberem Strom befüllt werden. Ich empfehle jedem, mit dem ich über eine Auto-Neubeschaffung rede, die Variante Biogas ernsthaft zu prüfen. Leider kann ich einer Person im Jura oder in Innertkirchen BE aber kein Biogas-Fahrzeug empfehlen, weil die nächste Zapfstelle viele Kilometer entfernt liegt. Ich habe darum dem UVEK auch die dringende Empfehlung gegeben, das Biogas-Potenzial der Schweiz durch Ausbau von Produktion und Verteilung voll zu nutzen. Hätten wir in Adelboden, Grindelwald, Meiringen, Engelberg, Locarno, St. Moritz usw. Biogas-Tankstellen, dann würde der Wandel hin zu einem klimafreundlicheren Fahrzeugpark viel schneller voranschreiten. Auch in der Landwirtschaft muss etwas geschehen. Hier gibt es ja ebenfalls bereits Biogas-Traktoren. (jas, 19. Mai 2022)

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